Hier beim Vorgespräch mit Ministerin von der Leyen und dem Vorsitzenden des Verbandes André Wüstner. Foto: DBwV, Fabian Matzerath

Hier beim Vorgespräch mit Ministerin von der Leyen und dem Vorsitzenden des Verbandes André Wüstner. Foto: DBwV, Fabian Matzerath

Beim traditionellen Parlamentarischen Abend des Deutschen Bundeswehrverbandes am 2. Juli in Berlin hielt Hans-Peter Bartels eine Rede vor den zahlreich anwesenden Gästen aus Politik, Gesellschaft und Bundeswehr. Den Text finden Sie hier:

 

 

 

Sehr geehrter Herr Wüstner,
sehr geehrte Frau Ministerin von der Leyen,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,
Herr Wehrbeauftragter,
sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Jahresempfang beendet gewissermaßen die erste Halbzeit des ersten Jahres unserer neuen Großen Koalition. Es ist die letzte Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause.

Aber ich sage voraus: Die Sicherheitspolitik wird keine Pause haben. Vor ein paar Wochen haben die deutschen Friedensforschungsinstitute dem Verteidigungsausschuss ihr „Friedensgutachten 2014“ übergeben, jedes Jahr ein dickes Werk. Ich habe die Forscher nach ihrer Einschätzung der großen Linie gefragt: Verglichen mit 2013 – ist es um den Frieden auf der Welt 2014 besser bestellt oder schlechter.

Die Antwort: schlechter, ziemlich viel schlechter.

• Wir erleben neue Spannungen in Ostasien: China, USA, Japan, Vietnam, Nordkorea, Thailand. Dort im fernen Osten hat längst ein neues Wettrüsten begonnen.
• Im nahen und mittleren Osten stehen gefährliche Pulverfässer, wir wussten das. Aber einige explodieren jetzt: Irak, Syrien, hoffentlich nicht der Libanon und Jordanien.
• Und wie wir in Afghanistan jedenfalls den Minimalerfolg der internationalen Intervention sichern, darüber müssen wir auch mit unseren amerikanischen Freunden noch einmal reden. Ist 2016 das richtige Datum? Unser gemeinsamer Einsatz, auch der der Bundeswehr, darf nicht umsonst gewesen sein.
• Aus Nordafrika ist nach dem arabischen Frühling kein Siegeszug der Demokratie zu vermelden. Es ist Winter in Ägypten und Chaos in Libyen. Manche Akteure bei uns reden schon wieder auffallend freundlich über die scheinbaren Vorteile autoritärer Regime. Aber das ist nicht die Lösung.
• Fast vergessen sind Terrorismus und Stammeskriege in der Sahel-Zone und südlich davon: Als gerade alle Aufmerksamkeit der Krim galt, erreichten mich zwei bittere, bewegende Briefe von „Ärzte ohne Grenzen“, einer aus dem Südsudan, einer aus der Zentralafrikanischen Republik. Sorgen machen auch: Somalia, Kenia, Mali und Nigeria.
• Schließlich die Ukraine-Krise: Niemand bemüht sich mehr als Deutschland, den Konflikt zu deeskalieren. Wir wollen nicht zurück ins Zeitalter der Konfrontation. Aber jedem muss klar sein: Mit Gewalt dürfen Grenzen in Europa nie wieder verschoben werden. Russland sollte zurückkehren zu einer Politik der Kooperation und der Partnerschaft.

Vor diesem Hintergrund ist bei unseren östlichen Nato-Partnern die konventionelle Abschreckungswirkung des Bündnisses heute wieder ein Thema. Bündnisverteidigung, Sicherheit im Bündnis, bleibt der Kern von allem. Ist die Bundeswehr dafür richtig aufgestellt? Tut Europa genug?

Die 28 Mitglieder der Europäischen Union geben 190 Milliarden Euro für Verteidigung aus. Und sie haben mehr als 1,5 Millionen Soldaten unter Waffen. 5000 Kampfpanzer, 2000 Kampfflugzeuge, 3 Flugzeugträger, 60 U-Boote. Das müsste für jeden denkbaren Fall völlig ausreichend sein – allein in Europa, ohne Amerika. Es geht nicht um mehr Geld oder um mehr Soldaten! Aber der Grad der Zusammenarbeitsfähigkeit ist nicht ausreichend, nicht effektiv.

Es wird in Europa unglaublich viel Geld verbrannt durch mehr als 20 Programme für gepanzerte Fahrzeuge oder fünf Programme für Boden-Luft-Raketen. Deshalb sollten wir bei künftiger Ausrüstung von vornherein konsequent europäisch planen, so etwa wenn es um ein unbemanntes Flugzeug geht, das wir in jedem Fall für die Aufklärung brauchen werden.

Wir brauchen in Deutschland gewiss keine weitere große Bundeswehrreform, aber Nachsteuerung, um jetzt doch die nötigen Schwerpunkte zu setzen.

Ein Riesenthema ist der Übergang der Bundeswehr zur reinen Freiwilligenarmee. Dafür muss sie attraktiver werden. Der Bundeswehrverband hat hier immer wieder gedrängt, Vorschläge gemacht, Forderungen gestellt. Das war mir als Sozialdemokrat lieb, als wir in der Opposition saßen. Das ist uns im Verteidigungsausschuss aber auch heute fraktionsübergreifend lieb, wo wir darangehen können, die Vorschläge umzusetzen. Nicht alles, aber vieles.

Frau Ministerin von der Leyen muss dazu nicht gedrängt werden. Sie drängt selbst. Das gibt den Reformen die nötige Schubkraft.

Auch der Wehrbeauftragte ist ein wichtiger Verbündeter. Er gibt sehr präzise Ratschläge.

Und übrigens, nur um das nicht zu vergessen, Verbesserungen werden Geld kosten. Und das darf natürlich nicht zu Lasten der Ausrüstung gehen.

Ein letztes Wort zum deutschen Prinzip der Parlamentsarmee. Manche glauben, das sei ein Auslaufmodell, passe nicht mehr zur Einsatzrealität.

Ich glaube, das Gegenteil ist richtig. Unser Prinzip wird mehr und mehr zum Vorbild für die Parlamente anderer großer Länder: USA, Großbritannien, Frankreich.

Die Kollegen aus Paris haben gerade unser Parlamentsbeteiligungsgesetz angefordert. Ich habe es ihnen gleich auf Französisch geschickt, höflich, wie wir sind.

Mit einem Gruß an Ihre 4.500 Kameradinnen und Kameraden, die auch heute Abend in unserem Auftrag weltweit im Einsatz stehen, wünsche ich Ihnen und uns, dass wir 2015 hier wieder zusammenkommen können und dann sagen: Mit Frieden und Sicherheit ist es besser geworden auf der Welt. Dafür arbeiten wir gemeinsam.