Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 14. Juni 2013 im Rahmen der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Abstimmungen des Bundesvolkes.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ein paar Wochen war ich in Glarus. Glarus ist einer von zwei Schweizer Kantonen, wo einmal im Jahr alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind, an der „Landsgemeinde“ teilzunehmen. Die Versammlung auf dem Marktplatz von Glarus entscheidet direkt über Gesetze, wählt Richter und Regierung. Glarus ist klein, hat vielleicht 30 000 Abstimmungsberechtigte.

An dem schönen Frühlingssonntag, an dem ich dort war, standen vielleicht 3 000 Glarner Bürger im Ring auf dem Platz. Teilnehmerzahlen werden nicht bekannt gegeben. Es ist egal, wie viele Mitbürger, „Mitlandsleute“, wie es dort heißt, anwesend sind. Alle sind eingeladen. Wer kommt, entscheidet mit, und wer sich beschwert, hätte ja kommen können. Verdrossenheit zählt nicht. Was sollte das auch sein, Volksverdrossenheit? Es ist ein wunderschönes Ritual, eingerahmt von 3 000 Meter hohen Bergen. Dieses Jahr fand es zum 626. Mal statt. Man wird demütig vor dieser demokratischen Tradition.

Was wir heute vorlegen, ist nicht ganz so schlicht wie die „Landsgemeinde“; aber es ist die zeitgemäße Form direkter Demokratie in einem sehr großen Land mit 80 Millionen Einwohnern. 60 Millionen werden abstimmungsberechtigt sein. Wir formen damit unsere Demokratie nicht nach Schweizer Modell um – dafür gibt es zu viele Unterschiede im System –, aber wir schaffen auf Bundesebene das gleiche prinzipielle Abstimmungsrecht, das es in unseren Kommunen, in allen 16 Bundesländern und bei vielen unserer europäischen Nachbarn gibt. Wir schließen eine Lücke im Grundgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Uns ist klar, dass das neue Recht nicht mehr in dieser Wahlperiode Realität wird; aber es wird kommen. Die beiden heute vorgelegten Gesetzentwürfe sind eine Einladung an alle, die vielleicht in der nächsten Wahlperiode einen Konsens zur Einführung von Volksentscheiden finden wollen – eine Einladung nicht nur an Grüne, Liberale und Linke, sondern auch an die Union. Ich weiß, dass es auch bei Ihnen Diskussionen in diese Richtung gibt. Das ist gut. Die Zeiten ändern sich. Sie haben schon manches bei uns gefunden, das Sie mit uns teilen wollen. Wir würden uns freuen.

Ich fand die Arbeit an diesen Gesetzentwürfen ziemlich vorbildlich. Wir hatten Workshops und Kongresse dazu, haben Expertenrat eingeholt und Kritik erbeten. Ich danke aus den Ländern besonders Olaf Scholz und Heiko Maas, die viel beigetragen haben, Professor Fabian Wittreck, Martin Weinert und den Experten von „Mehr Demokratie“, der Friedrich-Ebert-Stiftung und ganz besonders Christine Lambrecht sowie Dieter Wiefelspütz, der seine ungewöhnlich lange Parlamentsbiografie in diesen Tagen abschließt.

Dieter, es war mir eine Freude und Ehre, mit dir zusammengearbeitet zu haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

 

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BT-Protokoll_14.6.2013