Interview mit Hans-Peter Bartels in der "Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung" vom 9. März 2011

Die Debatte um die Führung der Nord-SPD geht weiter. Der Kieler Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels hält es für einen „schweren Fehler“ von Spitzenkandidat Torsten Albig, an Parteichef Ralf Stegner festhalten zu wollen. Nötig sei ein Neuanfang an der Spitze der Partei. Den Weg dazu müsse Stegner frei machen. Als Nachfolger schlägt Bartels den Rendsburger Bürgermeister und bisherigen Parteivize Andreas Breitner vor.

Täuscht der Eindruck, dass die Nord-SPD seit dem Mitgliederentscheid mächtig in Aufruhr ist?
Jedenfalls ist die Unruhe in der Partei unüberhörbar. Ich glaube, die Mehrheit der Sozialdemokraten hatte die von Ralf Stegner geprägte Freund-Feind-Politik satt. Deshalb gab es eine traumhafte Wahlbeteiligung von 70 Prozent, deshalb hat Torsten Albig fast doppelt so viele Stimmen bekommen wie Ralf Stegner. Alles sah nach einem wundervollen Neuanfang aus. Doch jetzt geht es wieder nur um das alte, nervtötende Dauerthema Ralf Stegner und seine Machtansprüche.

Was spricht denn gegen den Versöhnungskurs, den Albig gegenüber Stegner eingeschlagen hat? Er schlägt ihn zur Wiederwahl als Landesvorsitzender vor.

Niemand versteht, warum exakt einen Tag nach dem Mitgliedervotum, das auch für mehr innerparteiliche Demokratie stehen sollte, so ein hastiges Postengeschäft im Hinterzimmer nötig war. Die Absprache wurde ja ausdrücklich in einer schriftlichen „gemeinsamen Erklärung“ für die Öffentlichkeit festgehalten. Ich sehe die Gefahr, dass ein solcher Deal das gesamte basisdemokratische Verfahren delegitimieren könnte.

Was ist denn so falsch an innerparteilicher Geschlossenheit, die das Duo mit seinem „Deal“ wohl beabsichtigt?
Wenn jetzt schon wieder in offiziellen Parteischreiben und Parteitagsreden Geschlossenheit gefordert wird, soll die Botschaft wohl lauten: Wer Widerspruch anmeldet, schadet der Partei! So geht das aber nicht mehr! Dieses Vorgehen frustriert so viele Aktive und Sympathisanten, es demobilisiert und spaltet die Landespartei. Darüber werden Parteitagsinszenierungen nicht einmal uns selbst hinwegtäuschen können. Dass sich jetzt ein großer Teil der Albig-Wähler verraten und verkauft fühlt, muss zu anderen Reaktionen führen als „Augen zu und durch“.

Hören wir richtig – Sie pochen auf einen Wechsel an der Spitze der Landespartei?
Wenn es Ralf Stegner um das Wohl der Partei ginge, dann müsste er jetzt die Größe haben, den Weg freizumachen für einen Neuanfang. Dass er wie nach der verlorenen Landtagswahl wieder beide Spitzenposten in Partei und Fraktion für sich beanspruchte, als wäre nichts passiert, hilft der SPD nicht. Jeder kann das sehen.

Damit bescheinigen Sie Ihrem Spitzenkandidaten Albig zugleich, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben.
Man kann Fehler machen. Diese überstürzte Machtabsprache war ein schwerer politischer Fehler. Aber es ist keine Schande, sich einmal zu korrigieren. Da es ja nun erklärtermaßen ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden gibt, könnten sie sich zusammensetzen und gemeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass ein Weiter-So in der Führung der Landes-SPD doch keine so gute Idee war.

Wer den Wechsel an der Spitze will, braucht eine Alternative. Wer könnte denn Stegner beerben?
Andreas Breitner wäre ein prima Vorsitzender. Er ist relativ jung, aber schon sehr erfahren. Als Rendsburger Bürgermeister ist er mit riesiger Mehrheit im Amt bestätigt worden. Er hat ein ausgleichendes Naturell und ist in der Partei beliebt. Was soll so schlecht daran sein, wenn die Erneuerung in der SPD aus den Kommunen kommt? Torsten Albig weiß, dass Andreas Breitner bereit ist, für den Vorsitz des Landesverbandes zu kandidieren, wenn der Spitzenkandidat das nicht als gegen sich gerichtet ansieht. Fehlt die Kraft zur Korrektur, dann bleibt Albig an Stegner gekettet.

Ralf Stegner zeigte sich in einem Interview zufrieden darüber, dass jetzt in der Partei keine „Säuberungen“ stattfinden. Wie finden Sie das?
Als Politologe, der seine Doktorarbeit über „Theatralische Politik“ geschrieben hat, weiß Stegner genau, welche schlimmen historischen Erfahrungen mit dem Begriff „Säuberungen“ verbunden sind. Da zeigt sich wieder dieses Freund-Feind-Denken, das in Schleswig-Holstein das Klima so vergiftet hat – auch das innerparteiliche. Ich wundere mich nicht, dass dieser Politikstil – jedenfalls außerhalb der Gremien der SPD – immer wieder zu so desaströsen Ergebnissen führt. Mit Albig sollte dagegen jetzt etwas ganz Neues beginnen. Das erwarten viele unserer Mitglieder und Wähler von uns.

Sie sind der Erste, der so klar den Rücktritt Stegners fordert. Keine Sorge, nun den Zorn der Führung auf sich zu ziehen?
Ich habe keine Angst, die Dinge so beim Namen zu nennen, wie ich sie sehe. Abgeordnete sollten selbstbewusst sein. Mein politisches Feld als Bundestagsabgeordneter ist nicht die Landespolitik, aber ich bin nicht bereit mit anzusehen, wie das große politische Momentum des Mitgliederentscheids binnen kürzester Frist verspielt wird. Über Fehler, die wir jetzt nicht korrigieren, freuen sich CDU und FDP bis über den Wahltag hinaus.

Interview: Peter Höver

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Interview РDas nervțtende Thema Ralf Stegner Рshz Р09.03.2011