Gastbeitrag von Hans-Peter Bartels in der Zeitschrift "Leinen los!" des Deutschen Marinebundes (Heft 1-2/2012)

Die Entscheidungen zur Zukunft der Bundeswehr und ihrer Stationierung liegen nun seit Ende Oktober auf dem Tisch: 31 Standorte werden geschlossen, an weiteren 90 wird signifikant Personal abgebaut. Insgesamt ist aber – auch aus Sicht der Opposition – das Bemühen des Verteidigungsministers zu erkennen, die Bundeswehr in der Fläche zu erhalten. Auch seine Ankündigung „Ausdünnung geht vor Schließung“ hat de Maizière weitgehend eingehalten. Das ist zu begrüßen, ebenso wie die Tendenz, dass die Führungsstrukturen der Teilstreitkräfte schlanker werden: Aus je drei Stäben wird fast überall einer – das war überfällig.

Verglichen mit den anderen Teilstreitkräften schrumpft zwar die ohnehin schon kleine Marine personell am wenigsten, die Luftwaffe am stärksten. Das könnte schon als Anerkennung der These vom „maritimen Jahrhundert“ bewertet werden. Aber es hätte auch gute Gründe für eine stabil bleibende oder sogar leicht aufwachsende Marine gegeben. Ihre Bedeutung nimmt wirklich eher zu. Auch nach dem Ende der Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan wird sie in vier oder fünf Jahren immer noch ein wesentlicher Träger der Auslandseinsätze unserer Bundeswehr sein. Eine Marine mit einem operativen Umfang von 16.000 Männern und Frauen ließe sich durchaus plausibler begründen als die nun zugestandenen 13.000.

Schon jetzt ist die Einsatzbelastung der Soldatinnen und Soldaten in der Marine – vergleicht man ihren Anteil am gesamten Streitkräftepersonal (8 Prozent) mit ihren Anteil an den Bundeswehreinsätzen (12 Prozent) – überproportional hoch. Gleichzeitig wächst die Bedeutung der sicheren, ungehinderten Nutzung einer freien See. Auch wenn die meisten Konflikte weiterhin vorrangig an Land zu lösen sind, wird die maritime Komponente durch die Globalisierung und die Konzentration der Weltbevölkerung in Küstennähe künftig eher an Bedeutung gewinnen. Deutschland muss sich als führende Exportnation und stärkste Wirtschaftskraft in Europa diesen sicherheitspolitischen Anforderungen stellen. Wir müssen unserer Verantwortung unseren Möglichkeiten entsprechend gerecht werden. Andere europäische und internationale Partner werden uns das nicht abnehmen, die Verteidigungshaushalte sinken auch dort. Der EU -Mission „Atalanta“ am Horn von Afrika gehen beispielsweise bereits die Schiffe aus. Im Jahr 2010 wurden 445 Zwischenfälle von Piraterie oder bewaffnetem Raub auf See gemeldet. Sortiert nach der Herkunft der Schiffseigner, ist nach dem aktuellen Jahresbericht des Flottenkommandos, Deutschland mit 64 Übergriffen am stärksten betroffen. Weniger Marine wird sicher nicht zu einer Verbesserung der Situation beitragen.

Der Verteidigungsminister hätte mit seiner Strukturreform hier mit wenig Aufwand einen Schwerpunkt setzen können. Tatsächlich sagt das neue Konzept aber wenig darüber aus, welche sicherheitspolitischen Ziele er mit der Reduzierung und Umstrukturierung eigentlich verfolgt. Die Verlegung des gerade erst sanierten Marine-Operations-Zentrums (MOC) in Glücksburg scheint wenig effizient und – zumindest in Bezug auf die Sparvorgabe – widersinnig. Es ist auch schwer nachvollziehbar, wie künftig ein Marinearsenalbetrieb sämtliche Aufgaben erfüllen soll, die derzeit von zwei Betrieben erledigt werden. Die Marine wird ja bekanntermaßen – und richtigerweise – nicht halbiert. Aufgaben dürften also an die Wirtschaft abgegeben werden. Kürzen bei den Personalkosten und in der Folge Umschichten auf Sachkostentitel? Was spart das? Es wird teurer!

Zwar ist der Minister in seinen Entscheidungen über das Einsparen von Standorten frei, aber wenn aus selbsterfundenen Gründen oder ideologischen Vorlieben neue Kosten produziert werden, dann widerspricht das dem selbstgesetzten innenpolitischen Ziel der Reform – nämlich Geld zu sparen. Dieser Punkt betrifft allerdings nicht nur die Marine: In 39 größere militärische Liegenschaften, die nach dem neuen Stationierungskonzept nun geschlossen oder drastisch verkleinert werden, flossen zwischen 2005 und 2010 fast 600 Millionen Euro für Sanierung, Ausbau oder Errichtung.