Interview mit Hans-Peter Bartels in der Passauer Neuen Presse vom 15.08.2014

Andreas Herholz

Mord und Vertreibung im Nordirak – sind die amerikanischen Luftangriffe das richtige Mittel im Kampf gegen die Terror-Milizen?

Bartels: Die Bilder und Nachrichten, die uns erreichen, sind dramatisch. Aber die jüngsten Meldungen deuten darauf hin, dass die amerikanischen Luftangriffe Wirkung zeigen. Es scheint zu gelingen, Fluchtkorridore insbesondere für die Jesiden ins kurdische Gebiet hinein zu öffnen. Das nächste Ziel muss sein, in Bagdad eine handlungsfähige Regierung zu bilden, die alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert und damit auch die sunnitischen Stämme aus ihrem Bündnis mit den IS-Milizen löst. Dann müsste die irakische Armee wieder in der Lage sein, zum Gegenangriff anzutreten. Die Amerikaner stehen im Moment besonders in der Verantwortung, weil sie bereits vor Ort sind und unmittelbar helfen können – und weil ihre Irak-Politik in der Vergangenheit mit zu der heutigen Situation beigetragen hat.

Bundesregierung und Koalition debattieren über Waffenlieferungen. Wäre das ein sinnvoller Schritt?

Startende Transall, CC BY-SA 2.5

Startende Transall, CC BY-SA 2.5

Bartels: Die militärische Soforthilfe wird von den Amerikanern geleistet. Sie sind mit ihrem Flugzeugträger und dem Stützpunkt Incirlik in der Türkei die Einzigen, die unmittelbar handlungsfähig sind. Darüber hinaus kann man über alles reden, was hilft. Die EU sollte ein Hilfsprogramm für die irakische Armee und die Kurden starten und sich abstimmen. Es nützt nichts, einfach irgendwelches Gerät in den Irak zu schicken. Wenn deutsche Waffen in den Irak geliefert würden, müssten die Soldaten dort dafür erst einmal geschult werden. Was als Hilfe gedacht ist, muss auch passen. Sonst ist es nur symbolische Politik.

Was kann Deutschland tun?

Bartels: Wir sollten alles anbieten, was hilft, uns aber nicht an einem Überbietungswettbewerb beteiligen. Das Reden über deutsche Waffenlieferungen ist eine abstrakte Debatte. Auch da ginge es übrigens um „Ausrüstungshilfe“ von Staat zu Staat und nicht um Rüstungsexporte. Gegenwärtig sind allein die USA zu unmittelbarer militärischer Unterstützung in der Lage, wir nicht. Die Europäer werden aber schnell humanitäre Hilfe leisten und mittelfristig ein großes Hilfspaket schnüren. Wenn Deutschland jetzt schon Hilfsgüter ins Krisengebiet schicken kann, ist das sehr gut! Für die neue irakische Regierung wäre es wichtig, dass sie sich auch langfristig auf die Unterstützung der Europäischen Union verlassen kann.

Nicht nur Europa, auch die USA sind offenbar von der Stärke und Radikalität der Terror-Milizen des „Islamischen Staates“ überrascht worden.

Bartels: Alle sind überrascht worden. Wir brauchen politische Lösungen zur Eindämmung der dschihadistischen Gefahr im Nahen und Mittleren Osten, die die Nachbarstaaten miteinbeziehen. Wir müssen auch den Dialog mit dem Iran führen, so schwierig das ist.

Die Terror-Milizen sollen vor allem von Katar und Saudi Arabien unterstützt und aufgerüstet werden. Wo bleibt der internationale Druck auf das Regime?

Bartels: Wichtiger als über Waffenlieferungen dorthin zu diskutieren, wäre es tatsächlich, die autoritären Regime wie Katar dazu zu bringen, es nicht zuzulassen, dass aus ihren Ländern der dschihadistische Kampf von Mali bis Irak finanziert wird. Diese Staaten müssen die Finanzierung von Terror im Ausland unter Strafe stellen! Der Westen und die UNO müssen darauf drängen, dass dies wirklich geschieht. Sonst machen sich diese Regime bewusst zu Paten des Terrors.