Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 4. November 2008 in der Bundestagsdebatte um die Fortsetzung Verlängerung des Bundeswehr-Mandats Operation Enduring Freedom (OEF)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Hans-Peter Bartels hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Bundesregierung stellt eine gewisse Mandatsbereinigung dar. Das heißt, wir beschließen das, was tatsächlich geplant ist und stattfindet, und wir beschließen unseren Beitrag jetzt exakt für die Region, in der dieser Beitrag tatsächlich gebraucht wird. Das ist gut so. Denn wie beim Bundeshaushalt sollte auch bei den Bundeswehreinsätzen gelten: Wahrheit und Klarheit. Unser Prinzip der Parlamentsarmee bedeutet, dass der Regierung gerade keine Blankoschecks ausgestellt werden. Der Bundestag kann nur dann die Verantwortung für den Einsatz militärischer Gewaltmittel übernehmen, wenn er weiß, was wann wo von wem zu tun ist.

Ich sage ausdrücklich: Das war in der Vergangenheit insbesondere bei der Mission OEF nicht immer so. Der Sachverhalt, dass KSK-Spezialkräfte unter OEF in Afghanistan eingesetzt wurden bzw. nicht eingesetzt wurden, galt als geheim. Ob also Bundeswehrsoldaten in diesem Mandatsrahmen seit 2001 tatsächlich im Einsatz waren, wurde gegenüber dem Parlament – auch gegenüber dem Verteidigungsausschuss – geheim gehalten. Erst einer wohl unbeabsichtigten Indiskretion des Verteidigungsministers war zu entnehmen, dass seit 2005 unsere Beteiligung an OEF in Afghanistan praktisch erloschen ist. In der Sache ist das absolut in Ordnung. Aber die Geheimniskrämerei darum herum war nicht besonders parlamentsfreundlich.

Es darf nicht – dies sage ich ganz klar – zweierlei Bundeswehren geben: eine normale und eine geheime. Wir müssen wissen, wofür wir als Abgeordnete die Verantwortung übernehmen, wenn wir hier in namentlicher Abstimmung Entsendebeschlüsse fassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÃœNDNIS 90/DIE
GRÃœNEN])

Uns interessiert nicht das operative Detail oder die taktische Planung, sondern die Frage, ob überhaupt deutsche OEF-Soldaten ein Jahr lang im Einsatzgebiet eingesetzt werden. Diese Frage kann und darf vor dem Parlament und vor der deutschen Öffentlichkeit nicht unbeantwortet bleiben. Wir haben dazu auch in dem Untersuchungsausschuss – das wurde bereits angesprochen –, zu dem sich der Verteidigungsausschuss in der Sache Kurnaz erklärt hat, diskutiert und Verabredungen getroffen, die dieses Problem der, ich sage einmal: blinden Flecken im Parlamentsvorbehalt hoffentlich ein für allemal ausräumen.

Wir sind Außenminister Steinmeier und Verteidigungsminister Jung dankbar, dass sie nun die Konsequenz aus der Schwerpunktverlagerung in Afghanistan gezogen haben und zu OEF dort nichts mehr beitragen. ISAF ist inzwischen im ganzen Land präsent. Unser Schwerpunkt liegt auf ISAF, insbesondere auf dem Regionalkommando Nord. Die Doppelstruktur von NATO und US-geführter Antiterroroperation OEF ist historisch gewachsen. Aber sie ist mehr und mehr ein Hindernis für eine einheitliche Sicherheitsstrategie der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. Das wird mittlerweile auch auf amerikanischer Seite gesehen. Egal wie die Präsidentenwahl heute Nacht ausgeht, es wird Anstrengungen zu mehr Kohärenz geben müssen. Auch der neue CENTCOM-Befehlshaber Petraeus hat sich schon in diese Richtung geäußert.

Meine Damen und Herren, die Fortsetzung unserer Beteiligung an der Seeraumüberwachung am Horn von Afrika sollte unstrittig sein. Die deutsche Marine mit ihren Fregatten, Versorgern, Hubschraubern und Aufklärungsflugzeugen leistet hier einen kontinuierlichen, guten, hoch anerkannten Beitrag fern der Heimat. Wären die Verbündeten nicht da, wären die Verbindungswege der Terroristen schnell wiederhergestellt. Deshalb sind wir da.

Daneben wird wohl noch in diesem Jahr eine ESVP-Mission zur Pirateriebekämpfung vor der somalischen Küste starten. Daran sollten wir uns ebenfalls beteiligen. Die Zahl der Piraterieattacken hat in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommen. Das Schifffahrtsbüro der Internationalen Handelskammern in Kuala Lumpur teilt mit, dass es seit Anfang dieses Jahres 200 Pirateriefälle weltweit gegeben hat, davon ein Drittel im Seeraum vor Somalia. Über 500 Seeleute sind dort als Geiseln genommen worden. Auch Schiffe deutscher Reedereien sind immer wieder betroffen. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Das sollten wir wirksam unterbinden können. Dies mit einem eigenen Bundestagsbeschluss zu tun, entspricht den Grundsätzen von Mandatswahrheit und Mandatsklarheit.

(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht doch gar nicht drin!)

Gut, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken, die es bei den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses wohl gab, mittlerweile ausgeräumt sind! Wir sind uns in der Koalition einig, wenn ich das richtig sehe.

Ob man auf Dauer immer eine deutsche Doppelpräsenz am Horn von Afrika braucht – eine Fregatte für OEF und eine Fregatte für die Antipiraterie –, wird die Zukunft zeigen. Man könnte sich auch vorstellen, dass beide Mandate je nach Bedarf auf die gleichen Mittel zurückgreifen. Ein Schiff kann ja in Sekundenschnelle einem anderen Kommando unterstellt werden. Das wäre eine Frage pragmatischen Ressourcenmanagements, dem der Bundestag gewiss nicht im Wege stehen würde, wenn die Beschlüsse klar sind und kontinuierlich informiert wird.

Ich empfehle das von der Regierung bereinigte OEF-Mandat der Zustimmung des ganzen Hauses.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

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BT-Protokoll

BT-Protokoll – Auszug Rede Bartels