Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 5. Juni 2008 in der Bundestagsdebatte um die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo

Vizepräsidentin Petra Pau: 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie darum, eine solche Ruhe herzustellen, dass wir auch dem letzten Redner in dieser Debatte noch zuhören können. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels das Wort.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt im Augenblick zwei große NATO-Missionen: KFOR und ISAF. Während in Afghanistan um den Erfolg noch gerungen werden muss – auch um den Erfolg einer militärischen Absicherung – können wir für das Kosovo sagen: KFOR ist ein Erfolg und leistet das, wofür wir das Mandat 1999 und die folgenden Mandate gegeben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Sicherheitslage ist ruhig. Wir haben die Präsenz unserer Soldaten Schritt für Schritt reduzieren können. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Sicherheitslage mit immer weniger internationaler Präsenz stabil gehalten werden kann. Die Zahl der NATO-Soldaten wurde von über 45 000 auf jetzt 16 000 verringert. Der deutsche Anteil wurde von anfänglich 6 500 Soldaten auf 2 200 Soldaten im Normalfall verringert. Auch daran, dass mit immer weniger militärischer Absicherung das gleiche Sicherheitsergebnis erreicht wird, kann man den Erfolg messen.

Die Unabhängigkeit ist so, wie sie erreicht wurde – auch das ist schon gesagt worden – nicht die erste Wahl und somit nur das zweitbeste Ergebnis gewesen. Die sich daraus ergebende Situation muss jetzt gestaltet werden. Die Ausschreitungen, die es zu Anfang in Mitrovica gegeben hat, sind schnell unter Kontrolle gebracht worden. Auch das ist ein Erfolg von KFOR. Dank KFOR kam es nicht zu einem Flächenbrand.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Institutionen eines demokratischen Kosovo sind im Aufbau. Die internationalen Organisationen arbeiten in einem sicheren Umfeld. Flüchtlinge sind in den vergangenen Jahren nach und nach in das Kosovo zurückgekehrt. Deutschland ist das Land – auch das ist angesprochen worden –, das das größte Interesse daran hat, dass hier eine gute Zukunft gestaltet wird. Denn heute leben 300 000 Kosovo-Albaner in Deutschland. 100 000 sind schon in das Kosovo zurückgegangen. Das heißt, Deutschland hat im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern die engsten Beziehungen zum Kosovo.

Die starke, stabile Kraft im Kosovo ist heute noch KFOR. Die dritte Linie hinter der kosovarischen Polizei und der UNMIK-Polizei – in Zukunft EULEX – sind Soldaten. Sie müssen aber nur dann eingreifen, wenn die anderen Kräfte versagen würden, und sie versagen immer weniger. Da wir immer den deutschen Soldaten danken, sollten wir auch einmal den 130 bis 140 deutschen Polizisten Dank sagen, die heute ihren Dienst im Kosovo tun.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

Über deren Einsatz beschließen wir ja nie in Form von eigenen Mandaten. Das gilt auch für manche, die in der Aufbauhilfe tätig sind. Wir reden immer nur über die Militärmandate. Aber es sind auch Polizisten mit exekutiver Befugnis in einem fremden Land. Das ist kein leichter Dienst.

Wir werden dafür sorgen müssen, dass es beim Übergang von UNMIK zu EULEX kein Machtvakuum gibt. Die Verhandlungen, das ist angesprochen worden, sind im Gange. Der UNO-Generalsekretär hat sich eingeschaltet. Wir sollten darauf vertrauen, dass keine gefährlichen Situationen entstehen; wir sollten diese aber auch nicht herbeireden. Aber für den Fall, dass gefährliche Situationen entstehen, ist die starke Kraft, die im ganzen Land akzeptiert wird und die dahintersteht, die KFOR. KFOR ist – ich habe mich bei einem Besuch Anfang dieser Woche davon überzeugen können – auch auf Eventualitäten gut vorbereitet. Sie wird nicht so leicht von Ereignissen überrollt und überrannt werden können, die möglicherweise hier oder da geplant werden, die aber den Friedensprozess in diesem Land nicht mehr rückgängig machen können.

Alle Konfliktparteien vertrauen der NATO mit ihrer KFOR-Mission. Das ist ein hohes Gut. Alle vertrauen darauf, dass KFOR unparteiisch ist und schützt – auch in kritischen Situationen wie beim Inkrafttreten der Verfassung, was in wenigen Tagen, am 15. Juni, der Fall sein wird, und beim Übergang von UNMIK zu EULEX.

Die Vertrauensarbeit in diesem Land muss weitergehen. Auch in diesem jetzt unabhängigen Staat muss Vertrauen zwischen Mehrheit und Minderheit sowie zwischen Kosovo und Serbien geschaffen werden. In der UNO muss Russland für einen konstruktiven Weg gewonnen werden. In der NATO muss die Türkei für einen konstruktiven Weg gewonnen werden.

Auch als Parlamentarier können wir in Deutschland und Europa möglicherweise etwas zum Aufbau des Vertrauens in die neuen kosovarischen Institutionen beitragen. Es gibt bisher nur die deutsch südosteuropäische Parlamentariergruppe, womit im Moment auch Kosovo gemeint ist. Wir haben schon Parlamentariergruppen mit Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina. Ich wäre dafür, dass wir jetzt eine Parlamentariergruppe Deutschland-Kosovo einrichten. Das wäre ein vertrauenschaffendes und integrierendes Signal an diesen jungen Staat auf dem Weg zur Demokratie.

Wir werden gewiss noch einige Jahre finanzielle, personelle und auch militärische Beiträge zur Absicherung der Entwicklung leisten müssen, die wir im südlichen Osteuropa wollen, für eine Entwicklung, die wir dem Kosovo gönnen und die der Kosovo braucht. Das wird nicht ohne KFOR gehen. Wir werden noch einen langen Atem brauchen, der jedenfalls so lange halten muss, bis es dann ganz ohne fremde Hilfe geht. Das wird einige Jahre dauern. Aber diesen langen Atem sollten wir haben. Ich bitte Sie, dem Antrag der Bundesregierung zuzustimmen.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

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BT-Protokoll – Auszug Rede Bartels