Gastkommentar von Hans-Peter Bartels im Handelsblatt am 14.02.2014

Die Politik muss das Desinteresse der Deutschen an Friedenssicherung abbauen, meint Hans-Peter Bartels.

Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin haben eine sicherheitspolitische Debatte über Deutschlands Rolle in Europa und der Welt losgetreten. Gut so! Die Grundfragen von Friedenssicherung und Militäreinsatz gehen unsere demokratische Öffentlichkeit an.

Die deutsche Unaufgeregtheit, das völlige Fehlen von Hurra-Patriotismus (den man in der angelsächsischen Welt durchaus noch findet) und das realistische Gefühl, nach dem Ende des Kalten Krieges selbst nicht mehr existenziell bedroht zu sein durch feindliches Militär – diese Grundgestimmtheit der deutschen Öffentlichkeit ist gewiss nichts Schlechtes. Ãœber unsere Kultur militärischer Zurückhaltung herrscht weitgehend Konsens. Sie ist aus guten Gründen Staatsräson.

Wenn aber heute Deutschland Soldaten in internationale Missionen schickt, geht das nicht ohne ein öffentliches Bewusstsein dafür, warum unser Land sich engagiert. Ein Einsatz von 250 Soldaten in Mali oder 20 in Somalia versteht sich nicht in gleicher Weise von selbst wie damals die Manöver der im Mobilisierungsfall 1,3 Millionen Mann starken alten Bundeswehr mit dem Auftrag, durch ihre Existenz den Dritten Weltkrieg verhindern zu helfen. Das eine, Landesverteidigung, verstand sich gewissermaßen von selbst, das andere muss man begründen.

Jährliche Debatten und Beschlüsse im Bundestag sind nicht hinreichend, wenn es um die heutige Rolle deutschen Militärs in unserer auswärtigen Politik geht. Dabei waren die bisherigen Begründungen von Völkermord und „Auschwitz“ (Balkan) über Terrorgefahr und Frauenrechte (Afghanistan) bis hin zum Motto: „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Afrika) nicht falsch, aber oft unvollständig. Insofern besteht jetzt die Aussicht, eine nachholende, legitimierende Diskussion führen zu können. Nachholend – denn die Praxis gibt es längst.

Es geht den Akteuren der Großen Koalition ja nicht um eine „Ausweitung“ von Militäreinsätzen. Tatsächlich gehen die Zahlen der im Ausland eingesetzten Bundeswehrangehörigen zurück. Auf dem Höhepunkt von Balkan- und Terror-Krisen standen insgesamt fast 11 000 deutsche Soldaten gleichzeitig im mandatierten Einsatz, heute unter 5 000. Und deren Zahl wird mit der weiteren Reduzierung der Afghanistan-Truppe bis Ende 2014 wohl auf unter 3 000 sinken.

Was wir in Zukunft aber nicht mehr hören wollen, ist das euphemistische „So tun als ob“ vergangener Mandatsdebatten. Da trat die Bundesregierung so auf, als ob sie mit den Entscheidungen von Uno, Nato oder EU für das Ob und Wie von Friedenstruppen selbst gar nichts zu schaffen hätte. „Wir haben noch gar keine Anfrage von der Nato“, hieß es dann. Oder: „Wir müssen abwarten, worauf die EU sich einigt.“ Als ob wir da nicht Mitglied wären, das größte in der EU, das zweitgrößte in der Nato.

Dieser „Anfrage abwarten“-Eskapismus früherer Regierungen wird Deutschlands Verantwortung in keiner Weise gerecht. Und tatsächlich verhandelten in Brüssel natürlich immer vom ersten Tag an deutsche Diplomaten mit. Deutschland sollte aber sichtbar und selbstbewusst eine aktive Rolle spielen, wenn es um Friedensfragen in Europa und der Welt geht. In der Globalisierung ist Wegschauen keine Alternative mehr.

PDF: Ganz ohne Hurra – Gastkommentar Hans-Peter Bartels – Handelsblatt 14.02.2014