Interview mit Hans-Peter Bartels in der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 14.08.2014

Herr Bartels, Frankreich will als erstes europäisches Land Waffen in den Irak liefern. Deutschland beschränkt sich auf Ausrüstung und Hilfsgüter. Reicht das im Kampf gegen die Terrormiliz IS?
Was die europäische Hilfe angeht, sollte man sich keine Illusionen machen. Die einzigen, die im Moment zur Soforthilfe für die Kurden und für die irakische Armee in der Lage sind, sind die Amerikaner. Sie haben in der Region einen Flugzeugträgerverband, von dem aus sie operieren, und sie haben den Stützpunkt Incirlik in der Türkei, von dem Nachschub geflogen wird. Alles, was die Europäer machen können, wird nicht in Stunden oder Tagen, sondern in Wochen und Monaten im Krisengebiet ankommen.

 

Gilt das auch für die Ausrüstung, die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen versprochen wurde?
Wenn es um Fahrzeuge oder andere komplexe Technik geht, bestimmt. Zelte und Schutzwesten kann man natürlich schnell hinbringen. Die Kurden haben aber im Moment das Problem, dass sie Munition brauchen. Die wird von den Vereinigten Staaten geliefert.

 

Viele Politiker, auch Sie, unterstützen den Einsatz der USA, wollen Deutschland aber möglichst raushalten. Machen Sie es sich damit zu einfach?
Nein. Die Frage ist: Was hilft? Rhetorische Überbietungswettbewerbe in markigen Worten jedenfalls helfen den jesidischen Flüchtlingen, die schnell aus den Bergen gerettet werden müssen, überhaupt nicht. Es hilft ihnen das, was diejenigen, die jetzt vor Ort sind, dort an Unterstützung leisten können. Deshalb gibt es im Moment überhaupt keine Alternative zu dem, was Amerikaner und Kurden-Milizen gerade tun.
Schließen Sie Waffenlieferungen in Konfliktgebiete, so wie es bisher von der Bundesregierung hieß, komplett aus?
Es gibt deutsche Ausrüstungshilfe für manche Staaten auf der Welt – und so haben wir auch jetzt ein Angebot für die irakische Armee gemacht.

 

Meinen Sie mit „Ausrüstungshilfe“ auch Waffen?
Das könnten auch Waffen sein – mit allen Problemen, die damit verbunden wären. Aber: Wenn sich die Europäische Union darauf verständigt, durch Ausrüstung zu helfen, dann nützt es den Irakern nicht, von 28 Ländern 27 unterschiedliche Systeme zu bekommen, die sie nicht bedienen können und für die sie erstmal geschult werden müssen. Was wir im Irak jetzt vor allem brauchen, ist eine gemeinsame Regierung, die alle gesellschaftlichen und religiösen Gruppen repräsentiert und von allen akzeptiert wird – um so das Bündnis von sunnitischen Stämmen und der IS-Miliz aufzubrechen. Der Schlüssel zur Lösung liegt in Bagdad.

 

Warum findet die EU keine einheitliche Linie?
Es soll ja eine gemeinsame europäische Hilfsaktion werden! Deshalb muss nicht jedes Land das Gleiche machen. Wenn Andere Waffen liefern, werden wir das nicht kritisieren. Aber wir wissen, wie heikel es ist, in Konfliktregionen plötzlich den Waffen gegenüberzustehen, die man eigentlich den eigenen Leuten geliefert hat. Aktueller kann das Beispiel nicht sein: Die IS hat sich mit der liegengelassenen Ausrüstung der irakischen Armee, die von den Amerikanern geliefert wurde, bewaffnet. Das ist kein banales Problem.