Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 18. Oktober 2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer offenen Gesellschaft, die pluralistisch und demokratisch organisiert ist, kann die Regierung noch so uneingeschränkt entschlossen auftreten und die Zustimmung der Bevölkerung und des Parlaments zur Politik der Regierung kann noch so groß sein: Es wird immer auch abweichende Stimmen geben, zum Beispiel die der PDS. Das ist das Kennzeichen der offenen Gesellschaft und dafür verteidigen wir sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN und der PDS)

Widerspruch, Diskussion, Meinungsstreit und Demonstrationsrecht . das sind die Freiheiten, die politische und religiöse Fanatiker jeder Art immer wieder mit Mord, Terror und Krieg bekämpft haben.

(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

Es ist die Pflicht der Demokraten, solchem Terror wirksam entgegenzutreten.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Richtig!)

Wenn es n̦tig ist Рin letzter Konsequenz Р, auch mit Waffengewalt.

Lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Im nun zu Ende gegangenen 20. Jahrhundert hat die Welt schlimme und tödliche Erfahrungen mit totalit ären Ideologien und Regimen gemacht . auch in Deutschland und von Deutschland aus. Jeder kann wissen, was Unfreiheit bedeutet. Wir wissen aus unserer eigenen Geschichte: Gegen die Feinde der Freiheit hilft Appeasementpolitik nicht. Deshalb darf es keinen Unterschlupf und kein sicheres Hinterland für weltweit konspirierende Terroristengruppen geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Beihilfe zum Terror und Schutz der Terroristen durch einzelne Länder sind nicht hinzunehmen. Womit auch immer Terrorgruppen ihre Menschenverachtung zu legitimieren versuchen: Es ist die Heilserwartung, der sie dienen, der Führer, dem sie folgen, es ist ihr extremistisches Weltbild und nicht die Welt, die ihren Taten Sinn gibt. Es gibt keine Rechtfertigung für totalitären Terror.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Für anderen auch nicht!)

Bei der Bekämpfung terroristischer Gefahren für den Weltfrieden richten wir uns, wie Bundespräsident Rau in seiner Ansprache in Berlin gesagt hat, nicht gegen eine Religion, nicht gegen ein Volk und nicht gegen eine Kultur. Zu bekämpfen ist der mörderische und selbstmörderische Fanatismus organisierter Gruppen, die Freiheit und Demokratie gewaltsam auslöschen wollen.

In der Friedensbewegung zu Zeiten des Kalten Krieges gab es einen Slogan, der lautete: .Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin.. Das ist eine richtige und wichtige Kontrollüberlegung. Krieg fällt nicht vom Himmel, sondern er ist immer menschengemacht. Menschen entscheiden selbst. Aber eben nicht jeder für sich allein. Niemand ist deshalb sicher vor Gefahr, weil er selbst für andere keine Gefahr darstellen will. Den alten Slogan aus den 80er-Jahren gibt es deshalb auch mit einem Nachsatz: .Stell dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin. Dann kommt der Krieg zu dir.. So war das am 11. September 2001. Das Schlimmste wäre, dann nichts gegen den Terror tun zu können, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen und vor Angst zu erstarren. Die Weltgemeinschaft kann aber etwas tun. Wir können und müssen mehr tun, als nur besorgt und beunruhigt und irgendwie solidarisch mit den Opfern zu sein.

Bereits 1998 hat der UNO-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1214 gesagt, er sei .äußerst beunruhigt darüber, dass Afghanistans Hoheitsgebiet, insbesondere die vor den Taliban kontrollierten Gebiete, nach wie vor zur Beherbergung und Ausbildung von Terroristen und zur Planung terroristischer Handlungen benutzt wird.. 1999 heißt es in der UNO-Sicherheitsratsresolution 1267, dass der Sicherheitsrat die Tatsache missbilligt, .dass die Taliban Usama Bin Laden weiterhin Zuflucht gewähren und es ihm und seinen Mithelfern ermöglichen, von den durch die Taliban kontrollierten Gebieten aus ein Netz von Ausbildungslagern für Terroristen zu betreiben und Afghanistan als Stützpunkt für die Förderung internationaler terroristischer Operationen zu benutzen.. Das war 1999, nach den Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam.

Erst nach den noch fürchterlicheren Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington und auf der Grundlage einer weiteren UNOResolution wird jetzt Gewalt angewendet, um den Terroristen ihre Operationsbasis zu entziehen. Was hätte denn sonst die Antwort sein sollen? Was wäre die Alternative zu Nichtstun?

Erhard Eppler hat im Zusammenhang mit dem Kosovo- Krieg einmal sinngemäß gesagt: Man wird schuldig, wenn man Gewalt anwendet, aber manchmal lädt man größere Schuld auf sich, wenn man es nicht tut. Dies ist heute so. Deshalb unterstützen wir die USA und die Weltgemeinschaft im Kampf gegen den Terror.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/ DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

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