Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 18. Januar 2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Breuer, es nützt niemandem, am wenigsten den eingesetzten Soldaten und der Zivilbevölkerung, wenn bei diesem schwierigen Thema Sachlichkeit durch Polemik ersetzt wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

Wir diskutieren hier über Tatsachen und über Tatsachenbehauptungen, die Sie gern belegen können, wenn Sie finden, Sie seien nicht rechtzeitig informiert worden. Nach meiner Kenntnis hat Staatssekretär Kolbow – es muss nicht immer der Minister sein – den Verteidigungsausschuss bereits zu dem von Ihnen gewünschten Zeitpunkt informiert.

(Paul Breuer [CDU/CSU]: Nein!)

Es geht also um Tatsachen, Tatsachenbehauptungen, Spekulationen, Vorwürfe und Meinungen, die vielleicht nicht immer leicht auseinander zu halten sind.

(Peter Zumkley [SPD]: Richtig!)

Behauptet wird – wir kommen zu einigen Aspekten, die hier vielleicht noch keine so große Rolle gespielt haben, aber mit der Sache zu tun haben –, amerikanische DU-Munition habe bei Soldaten alliierter Kosovo-Kontingente Leukämie ausgelöst. Das ist unwahrscheinlich. Die UNEP bestätigt das, auch im Hinblick auf die Zivilbevölkerung. Mediziner sagen, Strahlung könne zwar Leukämie auslösen, aber bei weitem nicht so schnell und wohl auch nicht bei so geringer und so kurzzeitiger Strahlung. Der bisher gemeldete eine an Leukämie erkrankte deutsche Soldat war übrigens in Mostar stationiert. Dort hat es keinen DU-Einsatz gegeben.

Am Montag dieser Woche fand eine Sitzung der Sanitätsinspekteure der NATO in Brüssel statt. Das Ergebnis: Eine Verbindung zwischen abgereichertem Uran und den in den Medien berichteten Erkrankungen konnte weder durch die dort vorgestellten epidemiologischen Daten der eingesetzten NATO-Soldaten noch durch die in der wissenschaftlichen Fachliteratur veröffentlichten Erkenntnisse festgestellt werden. Es sollen weitere wissenschaftliche Studien auch von unabhängiger Seite durchgeführt werden, durch die die Ursachen für die zum Teil unspezifischen Symptome gefunden werden sollen, die bei einigen Soldaten verbündeter Streitkräfte nach dem Einsatz auf dem Balkan – wie auch nach anderen Auslandseinsätzen – in der Tat aufgetreten sind. Das ist doch alles andere als Abwiegelung, Herr Nolting. Das ist ein Beitrag nicht nur Deutschlands, sondern auch der NATO zur Aufklärung.

(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Achten Sie darauf: Ich spreche nach Ihnen! Dazu sage ich gleich etwas!)

– Schönen Dank!

Die Chefs der Sanitätsdienste haben beschlossen, eine Arbeitsgruppe „Präventivmedizin“ damit zu beauftragen, die notwendigen Daten zusammenzufassen und zu bewerten. Ein Bericht dazu soll bis Mai 2001 vorgelegt werden. Natürlich wollen die Sanitätsdienste der NATO – durch diese Diskussion sicherlich aufgeschreckt – in Zukunft noch enger zusammenarbeiten, sodass wir nicht nur auf unsere Erkenntnisse zurückgreifen können, sondern auch auf die der anderen befreundeten Nationen.

Behauptet wird auch, der deutsche Verteidigungsminister habe irgendetwas irgendwie verzögert, er habe zu spät informiert oder reagiert. Nun spricht Rudolf Scharping manchmal mit einer eindrucksvollen Bedächtigkeit; aber gehandelt hat er sehr schnell.

(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Solche vergifteten Komplimente sollten Sie Ihrem Minister nicht machen!)

Ich erinnere an seine Weisungen vom 14. Juni 1999, vom 2. Juli 1999, vom 15. Juli 1999 und an den Erlass vom 21. Juli 1999. Das geschah alles unmittelbar in der Phase vor und während des Einrückens in das Kosovo. DU war damals noch gar kein so interessantes öffentliches Thema wie heute; aber der Minister hat die mögliche Gefährdung des deutschen Einsatzkontingents ernst genommen und angemessene Vorkehrungen treffen lassen. Ich sage „mögliche Gefährdungen“; denn offiziell wusste die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, ob DUMunition eingesetzt worden war.

(Paul Breuer [CDU/CSU]: Er ist ein Wechselbalg!)

Offiziell ist das erst später mitgeteilt worden. Aber natürlich oblag ihm eine Fürsorgepflicht, die er wahrgenommen hat.

Zu den Sicherheitsmaßnahmen für die Soldaten kommt seit Oktober 1999 eine kontinuierliche Gesundheitsüberwachung der im Umfeld von DU-Fundorten eingesetzten Soldaten hinzu. Sogar die Atemluft im Feldlager wurde gemessen – ohne Befund. Selbstverständlich wird dem neuesten Verdacht – Plutonium – sofort nachgegangen. Auch darauf wird der Urin der Soldaten untersucht. Das geschieht nicht, weil es so sein muss, dass das eine neue große Gefahr ist, sondern weil wir wirklich jedem Hinweis nachgehen sollten. Was mehr hätte getan werden können? Was mehr kann getan werden? Sagen Sie es doch!

(Peter Zumkley [SPD]: Richtig! Da kommt doch nichts!)

Behauptet wird dennoch, Bundeswehrsoldaten seien einige Zeit der toxischen, chemischen Wirkung, also nicht der Strahlungswirkung, von Uranoxid schutzlos ausgesetzt gewesen. Das ist so wohl nicht richtig. Beim Eintreffen im Einsatzgebiet war den Soldaten befohlen, wie zum Beispiel mit den DU-getroffenen Panzerwracks umzugehen ist. Diese Wracks sind im deutschen Sektor gemessen, gekennzeichnet und abgesperrt worden. Das war übrigens beim deutschen IFOR-/SFOR-Kontingent ab 1996 nicht der Fall.

(Peter Zumkley [SPD]: Wer war denn da der Befehlshaber?)

Da wurde nicht gemessen.

Ich will daraus keinen Vorwurf machen; vielmehr will ich nur feststellen: Auch damals war um Sarajevo DUMunition eingesetzt worden, 11 000 Schuss. Das ist kein Vorwurf; aber auch das gehört zum Komplex DU und Bundeswehr.

(Peter Zumkley [SPD]: Richtig!)

Was mir aber mindestens so problematisch wie DU erscheint, ist die fortgesetzte Gefährdung der Zivilbevölkerung durch nicht weggeräumte Waffen- und Munitionsreste, Minen, Blindgänger usw., worüber selten gesprochen wird. Aber das ist eine real fortdauernde Gefahr.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/ DIE GRÃœNEN)

Diese Hinterlassenschaften des Krieges müssen jetzt beseitigt werden, und zwar nicht nur im deutschen Sektor. Das schließt DU-Reste ein. Die Bevölkerung im Kosovo und auch in Bosnien muss sich darauf verlassen können, dass die Waffenwirkungen des Krieges vorbei sind.

Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Diskussion der letzten Tage auf potenzielle Gefahren für Soldaten, noch dazu für deutsche Soldaten, konzentriert hat. Wir müssen alle Besorgnisse ernst nehmen, nachfragen und aufklären, nicht nur dann, wenn es um Deutsche geht. Wir haben auch einen Teil Verantwortung für Gesundheit und Zukunft der Bevölkerung im Kosovo übernommen.

(Paul Breuer [CDU/CSU]: Wer bestreitet das?)

Für deren Überleben hat die NATO einen Luftkrieg geführt; für deren Sicherheit sind die KFOR-Soldaten jetzt dort stationiert.

(Paul Breuer [CDU/CSU]: Bestreitet das jemand?)

Lassen Sie uns das Wesentliche nicht aus dem Blick verlieren!

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/ DIE GRÃœNEN)

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