Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute einJubiläum zu feiern: Vor 25 Jahren, im Herbst 1975, wurden die ersten Soldatinnen der Bundeswehr eingestellt, zunächst als Ärztinnen, Zahnärztinnen, Apothekerinnen und Veterinärmedizinerinnen im Offiziersrang, seit 1991 auch als Unteroffiziere und Mannschaften im Sanitäts- und Militärmusikdienst.

Zurzeit dienen etwas 4 700 Frauen in unseren Streitkräften. Hinzu kommen rund 50 000 Frauen, die zivil in der Bundeswehrverwaltung arbeiten; das sind mehr als ein Drittel der Zivilbeschäftigten. Auch von den 5 000 jungen Leuten, die dort jährlich eine Ausbildung absolvieren, sind mehr als ein Drittel weiblich. 200 Frauenbeauftragte sehen in allen Bereichen der Bundeswehr nach dem Rechten. Frauen und Bundeswehr – das ist also kein ganz neues Thema. Die Bundeswehr ist kein reiner Männerverein, schon heute kein unberührtes Reservat des Patriarchats mehr. Das ist gut so.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11. Januar 2000 werden nun ab Januar bzw. Juli 2001 die ersten Einstellungen von weiblichen Unteroffizieren, Mannschaften und Offiziersanwärtern in allen Laufbahnen vorgenommen. Einschränkungen soll es nicht geben. Auch KSK-Kämpferinnen, Fallschirmjägerinnen, Fernspäherinnen und Kampfschwimmerinnen sind möglich. Franziska van Almsicks Karriere muss noch nicht vorbei sein.

Die Bewerberlage ist gut. Relativ bestehen mehr Frauen als Männer die Eignungstests. Das muss einen gar nicht wundern, denn inzwischen machen in Deutschland auch mehr Mädchen als Jungen Abitur. Die Bundeswehr wird davon profitieren. Mittelfristig rechnet das Verteidigungsministerium mit einem Frauenanteil von 7 bis 10 Prozent am gesamten Bewerberaufkommen. Der Frauenanteil in den Streitkräften dürfte so langfristig auf die 10 Prozent zugehen. Damit liegen wir international im oberen Feld.

Es ist übrigens interessant, welche militärischen Tätigkeitsbereiche bei den Bewerberinnen besonders beliebt sind: Das sind der Stabsdienst und der fliegerische Dienst. Wenn alles gut geht, dann kann in 30 Jahren der Inspekteur der Luftwaffe eine Frau sein. Vorher gibt es vielleicht eine Inspekteurin des Sanitätswesens oder eine Verteidigungsministerin. Die Bundeswehr wird gewiss nicht die Vorhut der Gleichstellung sein; aber sie geht mit der Zeit.

Wir wollen keine Quoten in der Bundeswehr. Es bleibt bei Einstellungen, Verwendungen und Beförderungen nach Eignung, Befähigung und Leistung. Es wird keine gesonderten weiblichen Dienstgradbezeichnungen geben.

(Beifall der Abg. Ina Lenke [F.D.P.])

Gleichbehandlung mit männlichen Kameraden im täglichen Dienst muss die Leitlinie sein. Frauen werden, wie schon jetzt die Soldatinnen des Sanitätsdienstes, an Einsätzen der Bundeswehr im Ausland beteiligt sein, mit allen Risiken und Gefahren.

In diesen Einsätzen können übrigens Fähigkeiten eine Rolle spielen, die Frauen zusätzlich in die Bundeswehr einbringen. Es kann durchaus konfliktdämpfend wirken, wenn in einem muslimischem Umfeld beispielsweise Sicherheitskontrollen an Frauen nicht von männlichen, sondern von weiblichen Soldaten durchgeführt werden. Angesichts der Fülle von quasistaatlichen Funktionen, die unsere Kontingente in den Friedenstruppen zu erfüllen haben, böte das Zusammenwirken von Männern und Frauen auch ein staatsbürgerliches Vorbild. Kurz: Die Bundeswehr muss heute auf andere Einsätze als vor zehn Jahren eingestellt sein. Dazu braucht sie zum Teil andere Fähigkeiten. Frauen bringen solche anderen Fähigkeiten mit.

Natürlich wird es nicht nur Gleichstellungsjubel, sondern auch Probleme geben, wenn künftig in allen Einheiten der Streitkräfte Frauen dienen werden. Frauen werden auf sehr lange Sicht in der Bundeswehr in der Minderheit sein. Die weibliche Minderheit in einem männerdominierten Umfeld sollte deshalb nie zu klein werden. Es sollten in einer Einheit besser vier oder fünf Soldatinnen als eine einzelne sein.

(Beifall der Abg. Ina Lenke [F.D.P.])

Soldatinnen werden alle Benachteiligungen, denen Frauen in der Gesellschaft heute ausgesetzt sind, auch in der Bundeswehr sichtbar machen. Der Beruf des Soldaten und der Soldatin ist kein Beruf wie jeder andere; aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in jedem Beruf ein Thema. Übrigens heißt das Thema nicht nur „Frau und Beruf“, sondern genauso „Mann und Beruf“. Wir brauchen keine in besonderer Weise frauenfreundliche, „durchfeminisierte“ Bundeswehr; vielmehr müssen wir alles tun, damit unsere Gesellschaft familienfreundlicher wird, sodass jeder Beruf für Frauen und Männer besser mit dem Familienleben, das wir alle wollen, zu vereinbaren ist.

Dies können wir allerdings nicht durch eine Grundgesetzänderung erreichen. Dazu muss sich viel mehr ändern. Die heutige Debatte ist auch ein Anlass, daran zu erinnern.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÃœNDNISSES 90/DIE GRÃœNEN)

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