Rede von Hans-Peter Bartels vor dem Deutschen Bundestag am 14. Juni 2002

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Gutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute wird eine Bilanz der internationalen Lage nach dem 11. September gezogen. Manche Einschätzungen teilen wir, manche nicht.

Der PDS, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, sind vor allem die kritischen Anmerkungen zu den militärischen Aspekten der internationalen Terrorbekämpfung willkommen. Sie wertet das Gutachten als Beleg für ihre fundamentalistische Ablehnung jeglicher Beteiligung des Militärs am Kampf gegen den Terrorismus.

(Hildebrecht Braun [Augsburg] [FDP]: Wenn Fundamentalismus doch nur etwas mit Fundament zu tun hätte!)

Die PDS lehnt aber auch die Bundeswehrbeteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in Mazedonien ab. Dafür haben Sie, meine Damen und Herren von der PDS, allerdings keinerlei Argumentationshilfe durch die Friedensforschungsinstitute erhalten.

Im Gegenteil: Unsere Balkanpolitik wird von den Gutachtern ausdrücklich begrüßt. Man erhofft sich, dass unser zivil-militärisches Engagement geradezu Modellcharakter für andere Regionen bekommt; das hoffe auch ich. Unsere Balkanpolitik ist erfolgreich. Die Bundeswehr leistet dazu einen ausgezeichneten Beitrag.

Interessanterweise machen die Gutachter darauf aufmerksam, dass die Behauptung, Terrorismus könne nicht militärisch bekämpft werden, nach ihrer Auffassung zugleich richtig und falsch sei. Sie ist richtig, weil sich Selbstmordattentäter, die zivile Flugzeuge entführen und zu Anschlägen missbrauchen, nicht durch einen Militäreinsatz stoppen lassen. Die Gutachter schreiben aber an gleicher Stelle – ich zitiere –:

Zugleich genoss … Bin Ladens grenzüberschreitendes Netzwerk staatliche Protektion von unterschiedlichen Seiten und errang nach dem Sieg der Taliban in Afghanistan einen quasi-staatlichen Status. Das immerhin hat der Krieg zerschlagen.

„Immerhin!“

Der Gedanke, dass das Militär gegen Terroraktionen und -organisationen sowie ihre staatlichen Herbergsväter nichts ausrichten kann, ist falsch. Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung sprach in der vergangenen Woche bei der Vorstellung des Gutachtens deshalb von einer gemischten Bilanz des Krieges in Afghanistan

Auf der Habenseite sah er das Ende der Taliban-Diktatur und die Zerstörung der terroristischen Infrastruktur im Land. Das sei die Voraussetzung dafür, dass Afghanistan nach 22 Jahren Krieg und Bürgerkrieg zu einem geregelten Staatswesen zurückkehren und schrittweise das staatliche Gewaltmonopol wieder herstellen könne. Auf der anderen Seite fürchten die Friedensforscher eine Enttabuisierung militärischer Gewalt. Sie solle wohl, so die Wissenschaftler, in das Arsenal der gewöhnlichen außenpolitischen Instrumente zurückgeholt werden. – Nein, ich sage: Der Einsatz und auch schon die Androhung von militärischer Gewalt sind niemals etwas Normales und Alltägliches. Gerade deshalb muss der Deutsche Bundestag dem Einsatz der Bundeswehr in jedem einzelnen Fall mit Mehrheit zustimmen. Das ist gut so und soll so bleiben.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/ DIE GRÃœNEN)

Im Übrigen zeigt das Beispiel Afghanistan wie auch die Entwicklung auf dem Balkan, dass es meist eben nicht um zwei klar trennbare Alternativen geht: militärisches oder nicht militärisches Eingreifen. Ohne die militärische Operation Amerikas und seiner Verbündeten hätte sich für Afghanistan nicht die Möglichkeit eröffnet, dem Land eine politische Perspektive zu geben. Die Politik der USA in diesem Zusammenhang als „neues Beispiel von Staatsterrorismus“ zu bezeichnen, wie es der Kollege Gehrcke von der PDS in einer Pressemitteilung vom 27. Oktober des vergangenen Jahres getan hat, ist absurd und verantwortungslos.

Dass Deutschland überhaupt nicht einseitig auf militärische Mittel setzt, belegt die Bilanz unserer Afghanistanpolitik. Deutschland war Gastgeber der Petersberg- Konferenz und hilft beim Aufbau von Schulen, Polizei und Infrastruktur. All dies ist nur möglich, weil die ISAFSoldaten, unter denen auch Deutsche sind, den politischen Prozess absichern.

Die Maßstäbe unserer Außen- und Sicherheitspolitik sind klar. Ethnische Verfolgung, Völkermord, Vertreibung, Terror und das Faustrecht des Stärkeren können nicht neutral und bequem hingenommen werden. Entgegen dem altklugen Merksatz, mit Gewalt könne man keine Probleme lösen, ist militärische Intervention dann legitim und geboten, wenn der Mangel an Sicherheit das allen anderen zugrunde liegende Problem darstellt. Solange geschossen wird, sind alle anderen Probleme nicht lösbar.

Ich will noch einmal daran erinnern, dass die PDS die Beteiligung der Bundeswehr an der Politik zur Stabilisierung des ehemaligen Jugoslawiens stets abgelehnt hat. Vor jeder Mandatsverlängerung, sei es in Bosnien, im Kosovo oder in Mazedonien, haben Sie das Scheitern der Mission vorhergesagt. Ein Jahr ist es gerade her, als die PDS-Bundestagsfraktion in einem Antrag die Beendigung der Bundeswehreinsätze auf dem Balkan forderte. In dieser Drucksache hieß es:

Die vom militärischen Interventionismus geprägte Balkanpolitik der NATO-Staaten ist vollständig gescheitert.

Das ist wirklich dummes Zeug. Wo leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD, dem BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und der FDP)

Die Autoren des Friedensgutachtens teilen Ihre Auffassung jedenfalls nicht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÃœNDNIS 90/ DIE GRÃœNEN)

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